Webkongress Erlangen – Tag 2

Tag 2 auf dem Webkongress:

Der zweite Tag begann für mich mit dem Vortrag von Carsten Peters, der mittels der Firefox-Extension „Webdeveloper Toolbar“ Barrierefreiheits-Test für den Hausgebrauch demonstrierte – am Beispiel der jüngst relaunchten Spiegel.de-Website, die auch in der neuen Auflage immer noch genug Anschaungsmaterial in Form von Barrieren lieferte, die per Webdeveloper Toolbar entlarvt wurden.

Tomas Caspers mit Wollmilchsau (eierlegend)Danach kam Tomas Caspers (1.0), der in seinem Vortrag Barrierefreiheit 2.0 auf die Bedeutung der Barrierefreiheit in Zeiten neuer Web-Applikation wie Flickr oder Google-Office einging. In lockerer Form (gezeigt wurde u.a. die eierlegende Wollmilchsau) erläueterte er die Begriffe Web 2.0 und Barrierefreiheit („Barrierfreiheit bedeutet nicht, veraltete Technologien zu unterstützen und Barrierefreiheit ist nicht gleichbedeutend mit Suchmaschinenoptimierung) und ging dann auf die Kombination ein. Leider fehlten dem Vortrag praktische konkrete Beispiele, wie barrierefreie Web2.0-Seites aussehen müssen. Er schloß mit dem Statement, dass für den Preis einer JAWS-Version vier (!) komplette Systeme (Software und Hardware ohne Monitor) mit einem Betriebssystem erhältlich sein, das einen Screenreader bereits eingebaut hat (gemeint war Mac OSX).

Sehr informativ war auch die Vorstellung der in Entwicklung befindlichen neuen Version 2 der WCAG-Guidelines durch Gottfried Zimmermann. Er bot einen umfassenden und recht anschaulichen Überblick der Guidelines, die auf vier Grundprinzipien beruhen: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit. An konkreten Beispielen zeigte er, wie diese allgemeinen Prinzipien in Checkpunkte und konkrete Testverfahren heruntergebrochen werden können. Etwas zu informativ waren seine Folien – da hätte der gleich Inhalt auf doppelt so vielen Folien die Übersicht klar verbessert.

Ziemlich enttäusch war ich vom folgenden Vortrag, der den schönen Titel Barrierefreiheit beginnt mit der Gleichstellung in Information und Kommunikation – Behinderungskompensierende Techniken und barrierefreie Webseiten (hallo einfache Sprache). Ich hatte gehofft, hier interessante Vorführungen der im Titel genannten Techniken zu sehen, musste aber erst einmal einen eher oberflächlichen Rundumschlag  anhören, der an vielen Stellen nur bereits Gehörtes wiederholte. Immerhin gab es am Ende tatsächlich noch die Vorführung einiger Geräte und Programme, u.a. die einer Mund-bedienbaren Maus. Da wäre es wohl besser gewesen, mehr zu zeigen und den theoretischen Teil zu sparen.

Auch der nächste Vortrag über barrierefreies Texten hat mich nicht vom Hocker gerissen. Abgesehen davon, dass es eher um verständliches Schreiben im Allgemeinen ging (was zugegebenermaßen auch im Titel angedeutet wurde) war auch hier die inhaltliche Tiefe eher bescheiden. Irritiert hat mich auch, dass die beiden Vortragenden in ihrem Vortrag ihre eigenen Hinweise nur teilweise berücksichtigten. Andererseits zeigen die vielen schlechten Texte auf Websites, dass hier jede Hilfe wichtig ist.

Der letzte Vortrag hat mir wiederum gut gefallen. Tiffany Wyatt sprach über die Probleme, die PDF-Dokumente für die Barrierefreiheit bedeuten. Erst zeigte sie, welche Hürden bei schlecht zugänglichen PDFs auftreten und wie man sie testen kann (am Beispiel der BIK-Tests). Anschließend stelle sie vor, was man beim Erstellen von PDFs beachten muss, um eine gute GRundlage für die anschließende Optimierung per Hand im Acrobat Professional zu haben. Denn ohne Handarbeit geht es (noch) nicht und auch wenn alles beachtet wurde, sind PDDFs immer noch schlechter zugänglich als Websites. Ihr Plädoyer war daher, PDFs nur dann einzusetzen, wenn ihre besonderen Fähigkeiten auch wirklich benötigt werden – und nicht aus Bequemlichkeit, weil in Word der PDF-Button so verlockend bequem ist…

Fazit

Alles in allem habe ich einen gemischten, aber letztlich positiven Eindruck vom Kongress mitgenommen. Bei der Abstimmung der Vortragsinhalte können die Veranstalter sicherlich noch etwas besser werden. Teilweise wiederholten sich grundlegende Themen in den Vorträgen, teilweise waren Themen so gelegt, dass man bei Interesse am Thema gern beide Vorträge gehört hätte, bei Desinteresse blieb einem keine Alternative.

Für die Zielgruppe – wohl vor allem Menschen aus Verwaltungen, die mit dem Thema (noch) nicht so vertraut sind – war die Mischung der Themen aber recht gelungen und abwechslungsreich. Hier noch die offizielle Adresse und das Live-Blog des Veranstalters zum Nachlesen:

2 Gedanken zu „Webkongress Erlangen – Tag 2

  1. Gemeint waren eigentlich alle Betriebssysteme mit Ausnahme des Marktführers. Nicht nur MacOSX hat einen Screenreader eingebaut, auch Solaris 10, Gnome, KDE, … usw. Leider hab ich mich so vertüddelt, dass ich den Punkt nicht weiter vertiefen konnte, steht aber alles in der Mitschrift.

  2. Macht nicht viel Spaß, im diesem gnadenlos zugespammten Weblog mit seinem Beitrag zwischen Schmuddelkram zu erscheinen. Aber na ja.

    Thema barrierefreies Texten. Ich war auch dort. Ich gestehe, dass ich beide Referentinnen schon länger kenne. Deswegen muss man nicht unkritisch sein. Bin ich auch nicht.
    Aber eines ist ja wohl klar: Bei barrierefreien Seiten kommt es auf den Inhalt an. Und dieser Inhalt ist vorwiegend Text. Da haben eine ganze Menge Internetseiten erheblichen Nachholbedarf.

    Kaum einer der Barrierefrei-Experten traute sich bisher an dieses Thema ran. Es ist also geradezu eine Pionierleistung von Bräunlein und Schaller, dieses Thema ins Bewusstsein zu bringen.
    Noch dazu an der zweitundankbarsten Stelle der Agenda, am Freitag nachmittag, kurz vor Veranstaltungsende, als sich die Hälfte der Teilnehmer schon ins Wochenende verflüchtigt hatte.

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